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Mobilität vor Muskeltraining – Was ein gesunder Rücken braucht

„80 Prozent der Rückenpatienten werden falsch therapiert“

Das sagt der Münchner Physiotherapeut und Osteopath Albert Jakob. Im Interview mit My Life erklärt er, worauf es wirklich ankommt.

Bei acht von zehn Deutschen zwickt’s im Rücken – doch die meisten werden nach Ihrer Einschätzung falsch therapiert?

Meiner  Meinung nach sollte Mobilität immer vor Muskeltraining stehen, denn die Grundlage für jedes Training ist eine freie Bewegung in den Gelenken. Daher sollte die Beweglichkeit der Facettengelenke (Wirbelgelenke) im Vordergrund stehen.

Was kann denn beim Training passieren, wenn die Mobilität gestört ist?

Haben wir eine Störung, kommt es sofort zu Ausweichbewegungen. Denn der Körper fügt sich selbst keinen Schmerz zu. Und dadurch entsteht eine Dysbalance, die dann wiederum ein Ungleichgewicht im Muskelaufbau zur Folge hat.

Gibt es eine Möglichkeit, selbst herauszufinden, wie mobil die Wirbelsäule tatsächlich ist?

Ja. Dazu legt man sich auf den Bauch und versucht, die Arme in die Liegestützhaltung zu bringen, während die Beine und die Hüfte mit dem Boden in Kontakt bleiben. Diese Übung sollte mindestens 15-mal wiederholt werden. Der Abstand der Nase zum Boden sollte dabei mehr als 30 Zentimeter betragen. Wird die Beweglichkeit besser und der Abstand mit jeder Wiederholung größer, dann stimmt die Mobilität.

Und wenn sich die Nase partout nicht vom Untergrund heben will?

Dann sollte die Übung abgebrochen und untersucht werden, ob und warum die Gelenkfunktionen an der Wirbelsäule gestört sind. Sonst könnte die Störung, wenn sie unbehandelt bleibt, im weiteren Verlauf Schäden an den Bandscheiben verursachen. Der eben beschriebene Selbsttest – die „Kobra“-Übung kenn man ja aus dem Yoga – ist übrigens eine hubarme Überprüfung und stellt damit keine Belastung für die Wirbelsäule dar.

Was, wenn die Mobilität gestört ist? An wen kann ich mich wenden?

Am besten an den Hausarzt oder Orthopäden. Der verschreibt dann eine manuelle Therapie. Die Kosten dafür übernimmt in aller Regel die Kasse.

Wenn alles im Lot ist, gilt es, die Muskulatur zu stärken. Was sollte man dabei beachten?

Jeder, der Anatomie lernt, weiß, dass die Bauchmuskulatur eine schützende und stützende Aufgabe im Bereich des Rumpfes übernehmen muss. Deshalb sollte zuerst die Bauchmuskulatur gekräftigt werden und dann die feinen tiefen Rückenmuskeln für die spezielle Koordination. Hinzu kommt, dass durch die Übungen die Fibroblasten gezielt in diese Körperregion gelotst werden und dort die Produktion von körpereigenen Stützelementen wie z.B. Kollagen und Elastin anregen. Dadurch wird das Gewebe gleichzeitig gestärkt und elastischer.

Was kann ich im Alltag tun, um meine Mobilität zu erhalten oder gar zu verbessern?

Einiges! Ganz einfach ist es mit klassischen, weichen, wippenden und schwingenden Bewegungen an den Armen wie damals bei Turnvater Jahn. Oder, für etwas Fortgeschrittenere: Seilhüpfen. Und man sollte zum Beispiel bei der Arbeit an einem Stehpult nie parallel mit den Füßen stehen, sondern immer etwas in Schrittstellung, denn dadurch bekommt der Rücken einen ganz anderen Stimulus. Und auch die Ernährung ist wichtig! In einem sauren Milieu reichern sich Schmerz- und Entzündungsstoffe an. Deswegen empfiehlt sich eine basische Ernährung mit Obst, Gemüse und Salat.

5 goldene Tipps für die Wirbelsäule

Vergessen Sie Bauchmuskelübungen aus der Rückenlage (Sit-ups), denn die verkürzen Ihre Bauchmuskeln. Ebenso ist die Diagonalspannung aus dem Vierfüßlers-Stand nicht sehr sinnvoll! Beziehen Sie die Wirbelsäule in alle Bewegungen mit ein.

Überprüfen der Mobilität: Noch vor dem Aufstehen zehn bis 15 Push-ups im Bett (dezu in der Bauchlage den Oberkörper hochschieben und dabei das Becken und die Beine Liegen lassen). Wird die Beweglichkeit größer, ist es ein sehr gutes Zeichen. Wird sie geringer, dann sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Aktivierung der Rumpfmuskulatur duch Langwerden: Beide Arme weit nach oben schieben (Äpfel pflücken) oder eine imaginäre Tasse ins oberste Regal stellen. Keine Bück-Bewegung!

Korrektur der Arbeitshaltung: Der aufrechte Sitz ist immer nur ein Wunsch. Deshalb ein paar Mal pro Stunde die Beine im Wechsel unter den Stuhl ziehen.

Armtraining: Regelmäßiges Hochstemmen an den Armlehnen.

Täglich mindestens 15 Minuten walken: Am besten mit deutlicher Arm-Pendelbewegung.